Montag, 31. Mai 2010
Köhler-Überraschung, Teil zwei
Die kleine Überraschung am Morgen kostet Köhler nun sein Amt.
Über die Agenturen tickert gerade, dass er seinen sofortigen Rücktritt bekannt gibt.
So sehr ich es begrüße, dass diese unglaubliche Aussage doch noch Konsequenzen hat, bedauere ich dennoch Köhlers Rücktritt. Trotz seiner nicht unbedingt rühmlichen Vergangenheit beim IMF hat er doch mit seiner Nichtunterzeichnung von Gesetzen den Mut bewiesen, seine Prüfungskompetenz im Zweifelsfalle durchzusetzen. Spannend wird, wer ihn ersetzt.

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Samstag, 22. Mai 2010
Eine kleine Überraschung am Morgen
Kaum zu glauben, aber Horst Köhler hat tatsächlich im Deutschlandfunk die folgenden Worte gesprochen:

"Meine Einschätzung", so Köhler, "ist aber, (...) dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel (...) auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren."
Link: Deutschlandfunk

Die Aussage entstand im Kontext seines Afghanistan-Besuchs, mit dem er für mehr Anerkennung der Soldaten und des Einsatzes werben wollte.

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Dienstag, 9. Juni 2009
Meinung #2. Ergebnis der Europawahl
Wenig Aufregendes. Unter Berücksichtigung des Bürgerrechtsaspekts trotzdem ein paar kleine Anmerkungen:

1) Die informelle Große Koalition behält weiterhin eine komfortable Mehrheit der Sitze im Parlament (57,6%). Demnach kann sie weiterhin Richtlinien ohne Rücksicht auf die informelle europäische Opposition bestätigen (vgl. Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung).

2) Die europäischen Liberalen sind von 12,7% auf 10,9% der Sitze abgerutscht, auch wenn das deutsche Ergebnis etwas anderes nahelegt.

3) Die europäischen Grünen sind die einzige EU-Fraktion mit Mandatszuwachs (5,5% auf 7,1%).

4) Weder eine Koalition von Christdemokraten und Liberalen noch eine von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen hätte eine Mehrheit im Parlament; an der informellen Großen Koalition führt kein Weg vorbei.

5) Den größten Sprung machten die Parteien, die sich noch nicht Fraktionen angeschlossen haben (von 3,8% auf 12,6% der Sitze). Dazu gehören etwa die britischen Konservativen, die italienische Demokratische Partei, einige extreme Parteien und - als interessante Randbegebenheit - ein Vertreter der schwedischen Piratenpartei.
Bis Mitte Juli können sich diese Parteien noch bestehenden Fraktionen anschließen. Am Gesamtergebnis dürfte das wenig ändern.

Aus Bürgerrechtsperspektive insgesamt kein gutes Wahlergebnis. Nicht nur, dass die Große Koalition fortbesteht, die EVP-ED ist innerhalb der Koalition auch gegenüber der SPE gestärkt worden.
Vergessen werden sollte aber nicht der geringen Einfluss des EU-Parlaments. Die Bundestagswahl 2009 ist da schon weitaus interessanter.

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Donnerstag, 4. Juni 2009
Meinung #1. Gedanken zur Wahlempfehlung.



Verkehrte Welt: Die Financial Times Deutschland empfiehlt in der heutigen Ausgabe, am kommenden Sonntag sein Kreuzlein bei den Grünen zu machen.
Ich dagegen tendiere diesmal zur FDP, ein absolutes Novum für mich. Nähern wir uns gedanklich dieser Entscheidung:


Schon Wahlen in Massendemokratien bringen diverse Problem für den strategischen Wähler mit sich:
1) Er muss zwischen divergierenden Interessen abwägen. Da er de facto ganze Parteien wählt und nicht über einzelne Punkte abstimmt, gibt er mit seiner Stimme nahezu unausweichlich auch Zustimmung zu Programmpunkten, denen er ablehnend gegenübersteht.
2) Er muss außerdem die Glaubwürdigkeit der Parteien einschätzen. Dass Wahlversprechen gebrochen werden, ist die Regel. Er kann sich also nicht drauf verlassen, dass die Programmpunkte wegen denen er eine Partei gewählt hat, auch umgesetzt werden. Das führt teilweise zu absurden Situationen, die aber natürlich der politischen Realität geschuldet sind. Beispiele sind etwa der Große Lauschangriff und die FDP oder der Kosovo-Krieg und die Grünen.
3) Er muss weiterhin die Koalitionsaussichten im Blick haben. Hamburger Grüne etwa, die sich nichts sehnlicher wünschten, als von Beust und Moorburg loszuwerden, ärgern sich derzeit kräftig über ihre Schwarz-Grüne Koalition.
4) Er muss schließlich mit der Einsicht klarkommen, dass die einzelne Wahlstimme in einer Demokratie nahezu wertlos ist. Selbst bei der äußerst knappen Bundestagswahl 2005 lag der Unterschied zwischen Union und SPD noch bei knapp 400.000 Stimmen.

Der Wähler steht also vor schwierigen Entscheidungen. Sofern er sich nicht dazu entschließt, den Wahlsonntag nützlicher zu verbringen, muss er immer noch aufpassen, durch seine Stimme nicht die gegenteilige Politik zu fördern.

Bei der Wahl des Europaparlaments verschieben sich die Problemfelder noch.
1) Man entscheidet mit der Wahl nur über die Zusammensetzung eines Parlaments mit recht beschnittenen Kompetenzen (jedenfalls bis zur europaweiten Ratifizierung des Vertrags von Lissabon), welches eigenständig keine Exekutive bestimmt, sondern nur bestätigt.
2) Es bilden sich keine formellen Fraktionen, vielmehr herrscht seit Jahrzehnten durchgehend eine inoffizielle Große Koalition.
3) Die Parteien gehen auf in Europafraktionen, deren Glaubwürdigkeit für den Normalbürger kaum einschätzbar ist.
4) Die Wahlprogramme sind im Vergleich zu Bundestagswahlen sehr unkonkret. Was auch Sinn macht, schließlich muss in den Europafraktionen eine weitere programmatische Diskussion stattfinden.

Aufgrund der oben angesprochenen Entscheidungsprobleme bei konkreten Politikfeldern habe ich mir ein primäres Anliegen herausgepickt, welches sich einfach zwischen den Europafraktionen unterscheiden lässt:
Die Einschränkung von Bürgerrechten ist derzeit das zentrale Risiko für die westliche Welt. Die Vorratsdatenspeicherung etwa entspringt einer vom EU-Parlament verabschiedeten Richtlinie. Ebenso hat das Parlament erst kürzlich einen französischen Vorstoß zu Internetsperren geblockt.

Das EU-Parlament hat also erheblichen Einfluss auf die nationale Bürgerrechtsgestaltung. Die Union und die SPD haben gegen den Widerstand der FDP und der Grünen gezeigt, dass von ihnen kein Eingreifen zu erwarten ist. Es kommen also - unter dem von mir ausgesuchten Bürgerrechtsaspekt - nur die Grünen und die FDP infrage. Während beide prinzipiell demnach eine gute Wahl sind (beide fordern im Wahlprogramm etwa gezielt den Stopp der Vorratsdatenspeicherung), spricht eine Sache für die FDP:
Eine Kooperation zwischen Christdemokraten und Liberalen im EU-Parlament ist rechnerisch prinzipiell möglich und hat auch schon stattgefunden. Käme es dazu, hätte eine bürgerrechtsfreundliche Fraktion direkte Mitentscheidungsmöglichkeiten und wäre nicht auf Oppositionshandlungen angewiesen.

Ich halte daher sowohl die Wahl der Grünen als auch die Wahl der FDP für eine richtige Sache. Betrachtet man allein den Bürgerrechtsaspekt, sind die Liberalen die bessere Wahl.

Wer gegenläufige Argumente oder mehr Informationen hat, möge sich gern einbringen. Drei Tage sind eine ausreichend lange Zeit, um Wahlentscheidungen noch umzuwerfen.

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Montag, 1. Juni 2009
Keiner fand etwas Besonderes dabei
Daß die meisten Deutschen damals, im Februar 1933, an die kommunistische Brandstiftung glaubten, kann man ihnen, scheint mir, nach alledem nicht übelnehmen. Was man ihnen übelnehmen kann, und worin sich zum ersten Mal in der Nazizeit ihre schreckliche kollektive Charakterschwäche zeigte, ist, daß damit die Angelegenheit für sie erledigt war.
Daß man ihnen, jedem einzelnen von ihnen, sein bißchen verfassungsmäßig garantierte persönliche Freiheit und Bürgerwürde wegnahm, nur weil es im Reichstag ein bißchen gebrannt hatte - das nahmen sie mit einer schafsmäßigen Ergebenheit hin, als müßte es so sein. Wenn die Kommunisten den Reichstag angesteckt hatten, war es doch ganz in Ordnung, daß die Regierung "hart zupackte"!
Am nächsten Morgen diskutierte ich diese Dinge mit ein paar Referendarkollegen. Alle waren sehr interessiert für die Täterschaftsfrage des Reichstagsbrandes, und mehr als einer äußerte seine augenzwinkernden Zweifel an der offiziellen Version. Aber keiner fand etwas Besonderes dabei, daß man in Zukunft seine Telefongespräche belauschen, seine Briefe öffnen und seinen Schreibtisch erbrechen durfte. "Ich empfinde es als persönliche Beleidigung", sagte ich, "daß man mich verhindert, zu lesen welche Zeitung ich will - weil angeblich ein Kommunist den Reichstag angesteckt hat. Sie nicht?"
Einer antwortete fröhlich und harmlos: "Nein. Wieso? Lasen Sie denn etwa bis jetzt den 'Vorwärts' und 'Die Rote Fahne'?"


- Sebastian Haffners "Geschichte eines Deutschen", verfasst 1939. Siebzig Jahre später ist sie wieder von unheimlicher Aktualität.

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